Undenkbar undankbar

Gerade eben ergab es sich, dass ich auf dem Supermarkt-Parkplatz ausparken wollte. Zwei Plätze neben mir parkte eine Frau ebenfalls aus und bevor wir uns ins Gehege kommen, wollte ich erst einmal abwarten, wie sich die Situation entwickelt. Die Frau fuhr einen Renault Kangoo, dessen Heckscheibe hinten recht hoch verbaut ist, und so sah sie das Fahrrad offenbar nicht, das knapp einen Meter hinter ihrem Auto abgestellt war, denn sie fuhr langsam darauf zu.

Auf mein Winken hörte die Autofahrerin anscheinend nicht, also hupte ich mehrfach, bevor etwas passiert. Leider war ich minimal zu spät und der Drahtesel ist bereits umgefallen, als sie anhielt und sich nach der Ursache des Hupens umschaute.

Bis hierhin wäre die Situation unspektakulär, wenn auch etwas ungewöhnlich ob des abgestellten Fahrrads, und wäre kein Eintrag im Kuriositätenkabinett geworden, hätte mich nicht ein heruntergekommener Zeitgenosse angemeckert, der direkt vor meinem Auto stand und den Angebotsaushang studierte las anstarrte.

In der Pfalz wäre der folgende Dialog folgendermaßen abgelaufen:

Zeitgenosse (D): Du Depp, Du bleeder! Was hupschn Du do so bleed erumm? Hasch mich ganz scheen erschreckt.
Meine Wenigkeit (W): Oh, Du Dollbohrer. Maul net erumm und stell Dei Fahrrad woannersch anne!
D: Mei Fahrrad steht gut, dort wo’s steht! Dummbeidel!
W: Hornochs! Vezähl kä dumm Zeich. Du kannsch doch Dei Rad net in de midde Weg stelle!
D: Unn Du kannsch net hupe, weil de e Dummtuter bisch. Dei Vadder konnt aach schon net hupe!
W: Mach endlich Dei Rad weg, bevor’s der die Fraa do iwwer de Haufe fahrt.
D: Ei jo, alla gut. Hasch jo recht. *wegschieb*

Man hätte sich gegenseitig beschimpft und dabei die Situation geklärt. Alles wäre gut gewesen.

Hier im Rheinland aber musste ich mir das Gemaule eines anderweitig Begabten anhören. Ich hätte ihn erschreckt und was mir denn einfiele, ihn anzuhupen. Dass ich seinen Drahtesel vor den ewigen Jagdgründen gerettet habe, ging dem Lumbesammler auch nach wiederholter Erklärung nicht in den Schädel, obwohl ich mir ziemlich sicher bin, dass dort noch ausreichend Platz gewesen wäre.
Er beschränkte sich auf Schimpfen und Grummeln von irrelevanten Nichtigkeiten, von Dankbarkeit oder Einsicht jedoch keine Spur. Die Autofahrerin jedenfalls hat sich mehrfach bei mir bedankt, dass ich sie darauf aufmerksam gemacht habe. Auch sie konnte die Reaktion des Zeitgenossen nicht verstehen, denn ihre Entschuldigungen kamen bei ihm genausowenig an wie meine Erklärungen. Vielleicht fehlte auch die geistige Kapazität zur Verarbeitung dieses Inputs. Das würde auch erklären, wieso er sein Fahrrad auf einem Parkplatz fast mitten im Weg hinter einem Auto abstellt. Und ja: Die Frau saß bereits im Auto, als das Fahrrad hinter ihr geparkt wurde.

Disclaimer-PS: Ich möchte auf keinen Fall den Eindruck erwecken oder gar behaupten, dass die Bevölkerung im Rheinland nur aus unfähigen Fahrradabstellern bestünde.

Würde ich in der gleichen Situation wieder hupen? Vermutlich schon. Es wäre schließlich schade um das Auto…

1 Response

  1. Uuuunglaublich – manchmal gibts auch wirklich Helden im Straßenverkehr…
    Dollbohrer? Sehr gut. Gleich merken, den kannte ich noch nicht 🙂

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